Wiesbaden – Event: „Die Betreuungsstelle für politisch, rassisch und religiös Verfolgte in Wiesbaden“ lautet das Thema eines Vortrags im „sam – Stadtmuseum am Markt“ am Dienstag, 13. November, ab 19 Uhr von Dr. Brigitte Streich.
Im Rahmen des Begleitprogramms zur aktuellen Sonderausstellung „Industrie und Holocaust: Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz“ wirft das Stadtmuseum gemeinsam mit dem Stadtarchiv einen Blick auf die Nachkriegsgeschichte in Wiesbaden. Die internationale Wanderausstellung aus Erfurt behandelt die Firmengeschichte von Topf & Söhne. Insbesondere geht es dabei um die Zeit von 1939-1945 in der die Zusammenarbeit des Unternehmens mit der SS liegt.
Schlüsseldokumente des Erfurter Betriebes, Akten der SS-Bauleitung sowie Verhörprotokolle machen den BesucherInnen die Dimensionen des Beitrags von Topf & Söhne zum Holocaust deutlich. Verantwortungsträger und andere Akteure, die zu Mittätern wurden, sowie ihre Beweggründe und Handlungsspielräume werden in der Ausstellung fokussiert und hinterfragt. Der Wiesbadener Bezug ergibt sich aus der Nachkriegsgeschichte, in der der Versuch unternommen wurde, Topf & Söhne in der Landeshauptstadt neu aufzubauen.
Die unmittelbare Nachkriegsgeschichte Wiesbadens ist es, die am Dienstag, 13. November, von besonderem Interesse im Stadtmuseum ist. Dr. Brigitte Streich, Direktorin des Stadtarchivs Wiesbaden, nimmt die Besucher mit in das Jahr 1945 und in die von den Amerikanern besetzte Stadt.
Die ersten Monate nach dem Krieg waren vom Chaos geprägt, es existierten noch keine staatlichen Strukturen. Kurz vor Kriegsende hatten Gauleiter Sprenger und NS-Oberbürgermeister Piékarski die Stadt verlassen, nicht ohne vorher noch zur „Evakuierung“ der Bevölkerung und zur Zerstörung der gesamten Infrastruktur aufzurufen. Dieser Befehl wurde glücklicherweise nicht ausgeführt: Stadtkämmerer Heß, der Direktor der Stadtwerke Bücher und andere NS-Gegner weigerten sich.
Diese Männer waren es auch, die sich wenig später im sogenannten Aufbau-Ausschuss engagierten und die Reorganisation der wichtigsten Lebensbereiche in Angriff genommen haben. Zu den drängendsten Problemen gehörte die Sorge um die aus den Konzentrationslagern zurückkehrenden Überlebenden des NS-Terrors und um die Displaced Persons, meist Kriegsgefangene und nach Deutschland verschleppte Zwangsarbeiter. Die am 5. April 1945 gegründete Betreuungsstelle organisierte Nahrung, Kleidung und Wohnraum für diese politisch, rassisch und religiös Verfolgten, bevor jene Aufgaben seit Ende 1946 an andere Organisationen übergingen.
Dr. Brigitte Streich leitet seit 2001 das Stadtarchiv Wiesbaden. Sie studierte Geschichte, Romanistik und historische Hilfswissenschaften in ihrer Heimatstadt Göttingen. Dort promovierte sie, bevor sie in Magdeburg und Marburg ihre Ausbildung für den höheren Archivdienst absolvierte.
Der Eintritt für den Vortrag im Marktkeller beträgt fünf Euro, ermäßigt drei Euro.
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