Bayreuth (BY) – Im Juli 2011 schlug der Marsmeteorit Tissint in Marokko auf. Ein internationales Forschungsteam hat in Gesteinsproben des Meteoriten organischen Kohlenstoff gefunden und ihn in Zusammenhang mit den umgebenden Mineralien präzise untersucht. In der Zeitschrift „Meteoritic and Planetary Science (MAPS)“ werden die neuen Ergebnisse vorgestellt. Gewichtige Gründe sprechen dafür, dass der Kohlenstoff auf dem Mars entstanden ist. Die Mitglieder des Forschungsteams sind überzeugt, dass sich ihre Ergebnisse besser durch Lebensprozesse als durch abiotische Prozesse erklären lassen. Sie schließen aber die Möglichkeit nicht völlig aus, dass der Kohlenstoff aufgrund abiotischer Prozesse entstanden ist.
Ein international hochgeschätzter Wissenschaftler
Seitens der Universität Bayreuth hat Prof. Dr. Ahmed El Goresy in dem internationalen Team mitgearbeitet und zu den neuen Erkenntnissen wesentlich beigetragen. Seit 2005 ist er als Gastprofessor am Bayerischen Geoinstitut (BGI), einem internationalen Forschungszentrum der Universität Bayreuth, tätig. Die Meteoritical Society, der führende internationale Fachverband für die Erforschung von Meteoriten und Planeten, hat ihm 2013 die Leonard-Medaille verliehen – die höchste Auszeichnung, die auf dem Gebiet der Meteoritenforschung vergeben wird.
Organischer Kohlenstoff, auf dem Mars entstanden
Es war der Forschung bereits bekannt, dass der Meteorit Tissint – ebenso wie 12 andere Marsmeteoriten, die zuvor gefunden wurden – organischen Kohlenstoff enthält. Umstritten war allerdings immer die Frage, ob sich dieser Kohlenstoff möglicherweise erst nach dem Aufprall auf der Erde gebildet hat. Die Autoren der jetzt in MAPS erschienenen Publikation verweisen auf die kurze Zeit, die zwischen dem Aufprall und dem Fund des Tissint verging, und argumentieren dafür, dass jedenfalls der von ihnen entdeckte und auf seine Strukturen hin untersuchte organische Kohlenstoff nicht auf der Erde, sondern in einer viel früheren Phase des Mars entstanden ist, nämlich vor einigen hundert Millionen Jahren.
Hierfür führen sie insbesondere drei gewichtige Gründe an: (1) Organischer Kohlenstoff befindet sich in winzigen Gesteinsadern des Tissint, die sich bei einem schockartigen Schmelzprozess gebildet haben müssen. Es ist unplausibel anzunehmen, dass ein derartiger Prozess in dem marokkanischen Wüstengebiet, wo der Meteorit niederging, stattgefunden hat. (2) Einige Kohlenstoffkörner existieren in den Gesteinsadern des Tissint in Form von Diamant. Es sind keine Bedingungen bekannt, unter denen auf der Oberfläche dieses nordafrikanischen Gebiets Diamant entstanden sein könnte. (3) Der organische Kohlenstoff im Tissint enthält einen sehr hohen Anteil an Deuterium; also eines schweren Wasserstoffisotops, dessen Atomkern ein Proton und ein Neutron enthält. „Eine derart enorme Anreicherung mit Deuterium ist der typische ‚Fingerabdruck‘ von Marsgestein, den wir bereits von früheren Messungen kennen“, erklärt El Goresy.
Biotischer Ursprung mit den Forschungsergebnissen gut vereinbar
Ist der im Tissint enthaltene organische Kohlenstoff biotischen Ursprungs? Hat es in jener frühen Phase des Mars Mikroorganismen gegeben, die zu seiner Entstehung beigetragen haben? Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betonen, dass diese Annahme mit ihren Forschungsergebnissen gut vereinbar ist. Zudem haben sie mit Nano-Sekundärionen-Massenspektroskopie (NanoSIMS) einen auffallend geringen Anteil des Kohlenstoff-Isotops 13C festgestellt: ein Indiz, das die Annahme von Lebensprozessen unterstützt. Die Isotopensignatur des organischen Kohlenstoffs im Tissint zeigt gewisse Ähnlichkeiten mit Isotopensignaturen, die bei biotischen Aktivitäten auf der Erde beobachtet wurden.
„Wir können und wollen aber nicht völlig ausschließen, dass der organische Kohlenstoff im Tissint einen abiotischen Ursprung hat,“ sagt Prof. Dr. Yangting Lin, der Seniorautor der Studie. Er ist Professor am Institut für Geologie und Geophysik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking und erklärt: „Es könnte möglich sein, dass der organische Kohlenstoff durch kohlenstoffhaltige Chondriten – also kleine Meteoriten – entstanden ist, die auf der Marsoberfläche eingeschlagen sind. Allerdings ist es schwer vorstellbar, wie dies geschehen sein könnte.“ Von einigen Wissenschaftlern wurde bisher die Auffassung vertreten, der Kohlenstoff im Tissint sei in heißem Magma synthetisiert worden, das in die Gesteinsadern eingedrungen sei. Diese Möglichkeit aber konnte von dem internationalen Forschungsteam widerlegt werden.
Unterstützung vom Bayerischen Geoinstitut an der Universität Bayreuth
„Es freut uns sehr und wir sind auch ein wenig stolz darauf, dass Prof. Ahmed El Goresy
als langjähriger Gastprofessor des Bayerischen Geoinstituts zu den jetzt publizierten Ergebnissen erheblich beitragen konnte“, freut sich der Direktor des BGI, Prof. Dr. Tomo Katsura, und fährt fort: „Seitens des BGI wollen wir seine Untersuchungen an Marsmeteoriten auch künftig unterstützen. Dies gilt sowohl bei der optimalen Präparation von Gesteinsproben als auch hinsichtlich der Forschungstechnologien, die bei der Untersuchung dieser Proben zum Einsatz kommen, um zu einem besseren Verständnis der Ursprünge von organischem Kohlenstoff in Marsmeteoriten zu gelangen.“ „Unser exzellentes Präparationslabor am BGI gewährleistet, dass die Proben nicht kontaminiert sind, bevor sie untersucht werden“, ergänzt El Goresy.
Meteoritenforschung: Analysen unzerstörter Materie
Die Autorinnen und Autoren der MAPS-Publikation sehen keine Rivalität zwischen der Erforschung von Marsmeteoriten und den Gesteinsuntersuchungen an der Marsoberfläche, die von der U.S.-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA im Rahmen des Mars Science Laboratory (MSL) durchgeführt werden. „Mars-Rover wie die ‚Curiosity‘ stellen einen phantastischen technologischen Fortschritt dar. Sie leisten eine sehr wertvolle Arbeit hinsichtlich der Frage, ob es auf dem Mars günstige Bedingungen für Leben gibt oder gab“, meint El Goresy.
„In einem Punkt allerdings ist die Meteoriten-Forschung bislang überlegen. Die Mars-Rover sammeln, pulverisieren und analysieren große Probenmengen, so dass sie nur Durchschnittswerte bezüglich ihrer Zusammensetzung ermitteln können. Mikroskopische und in situ spektroskopische Untersuchungen ermöglichen hingegen Analysen von unzerstörten individuellen Kohlenstoffkörnern an genau dem Ort, wo sie vorkommen“, so der Bayreuther Meteoritenforscher.
Veröffentlichung:
Yangting Lin et al.,
NanoSIMS analysis of organic carbon from the Tissint Martian meteorite: Evidence for the past existence of subsurface organic-bearing fluids on Mars,
Meteoritics & Planetary Science, Volume 49, Issue 12, pages 2201–2218, December 2014 DOI: 10.1111/maps.12389
An den hier publizierten Forschungsergebnissen sind folgende Einrichtungen in China, Deutschland, Japan und der Schweiz beteiligt: Chinesische Akademie der Wissenschaften mit geowissenschaftlichen Forschungseinrichtungen in Peking, Guiyang und Guangzhou; Bayerisches Geoinstitut (BGI), Universität Bayreuth; Tohoku University, Sendai, Japan; École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL).
Kontakt:
Prof. Dr. Ahmed El Goresy
Bayerisches Geoinstitut (BGI), Universität Bayreuth
D-95440 Bayreuth
Tel: ab 2.12. bis 4.12.2014 wg. Konferenzteilnahme im Institut für Geowissenschaften
der Universität Heidelberg +49 (0) 6221 548291, danach: +49 (0) 921 553726
E-Mail: ahmed.elgoresy@uni-bayreuth.de (ab 5.12.)
oder ab 2.12. 2014 an: christian.wissler@uvw.uni-bayreuth.de
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Text: Uni Bayreuth