Studie untersucht Landnutzungs-Konzepte in tropischen Bergwäldern
Bayreuth – Wie lässt sich die Abholzung von tropischen Regenwäldern eindämmen? Ein Ansatz ist, aufgegebenes Kulturland wieder nutzbar zu machen, wie ein internationales Forschungsteam in Nature Communications zeigt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten Bergregionen in Ecuador: Dort war neben der Aufforstung die intensive Graslandnutzung besonders erfolgreich. Beide Konzepte haben nicht nur eine günstige Ökobilanz, sondern auch klare wirtschaftliche Vorteile.
Jährlich verschwinden 130.000 Quadratkilometer Regenwald von der Erde – das entspricht der Fläche Griechenlands. Die gerodeten Gebiete werden größtenteils landwirtschaftlich genutzt. Dies gilt auch für die Regenwälder im tropischen Hochgebirge. Allerdings wird das Land schnell wieder mit Unkraut, insbesondere Adlerfarn, überwuchert. Adlerfarn, der in den Tropen oft bis zu 3 Meter hoch wächst, lässt sich weder mit Unkrautvernichtungsmitteln noch durch Abbrennen dauerhaft entfernen. Prof. Erwin Beck von der Universität Bayreuth, Seniorautor der neuen Studie, hat zusammen mit einer Doktorandin bereits vor einigen Jahren festgestellt, wie aufwändig es ist, die Invasion des Adlerfarns zurückzudrängen. Die Farmer geben das Land häufig nach wenigen Jahren wieder auf, um neue Waldflächen kahl zu schlagen.
„Diesen Kreislauf gilt es zu durchbrechen“, sagt Prof. Thomas Knoke vom Fachgebiet für Waldinventur an der Technischen Universität München, der an der jetzt veröffentlichten Studie ebenfalls maßgeblich beteiligt war. „Wir haben daher untersucht, ob und wie sich aufgegebene Viehweiden rekultivieren lassen.“
Die verschiedenen Konzepte wurden nicht nur nach ihrem wirtschaftlichen Nutzen bewertet. Erstmals flossen auch ökologische und soziokulturelle Kriterien ein. Dazu zählten zum Beispiel die Bindung von Kohlen- und Stickstoff in der Pflanze und im Boden, die Biomasse-Produktion, die Bodenqualität, die Klimawirksamkeit und der Wasserhaushalt sowie die Akzeptanz durch die Landwirte.
Nachhaltige Landnutzung
Das Untersuchungsgebiet (circa 150 Hektar) befindet sich in den ecuadorianischen Anden auf einer Höhe von 1.800 bis 2.100 Metern. Die Forscherinnen und Forscher untersuchten fünf verschiedene Konzepte:
- keine Bewirtschaftung – aufgegebene Weideflächen bleiben sich selbst überlassen,
- forstwirtschaftliche Nutzung – Bepflanzung mit einer einheimischen Erlenart,
- forstwirtschaftliche Nutzung – Bepflanzung mit einer eingeführten Kiefernart,
- extensive Weidenutzung – mechanische Unkrautbekämpfung, dann Nutzung nach anfänglicher Düngung,
- intensive Weidenutzung – chemische Unkrautbekämpfung, dann Nutzung mit regelmäßiger Düngung.
Als besonders günstig erwies sich die Aufforstung mit Erlen und Kiefern. Langfristig schützen bewaldete Regionen auch am besten vor Erosion. „Außerdem hat unsere Studie gezeigt, dass die Aufforstung mit der einheimischen Andenerle die Klima- und Wasserregulation deutlich günstiger beeinflusst als die anderen Nutzungsoptionen“, erklärt Projektsprecher Prof. Jörg Bendix von der Universität Marburg.
Mitspracherecht für die Landwirte – ein wichtiger Bewertungsfaktor
In den aufgeforsteten Regionen können sich zudem nach und nach wieder typische Pflanzen und Tiere des Regenwalds ansiedeln. Intensiv genutzte Viehweiden erzielten einen deutlich besseren ökologischen Wert als die extensive Weidenutzung. Der wirtschaftliche Nutzen ergibt sich durch den Verkauf von Holz (Aufforstung) oder von Fleisch und Milch (Viehweiden). Dabei erzielten Erlenplantagen die größten Erträge.
Wegen der besseren Ökobilanz von Wäldern und den langfristig besseren Verdienstmöglichkeiten sehen auch die meisten Viehhalter die Aufforstung als bevorzugte Nutzungsoption – so das Ergebnis einer Befragung. Das internationale Forschungsteam ist sich einig: Um den Erfolg von Rekultivierungskonzepten zu sichern, sollten immer auch die Landnutzer einbezogen werden. “Derzeit laufen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützte Projekte, um die Ergebnisse der Studie zusammen mit Landwirten in Ecuador umzusetzen“, berichtet Prof. Erwin Beck, der bis zu seiner Emeritierung an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für Pflanzenphysiologie innehatte. Er hat in Ecuador vor 17 Jahren die Forschung im tropischen Bergwald initiiert und ist auch an den aktuellen Projekten beteiligt.
Modellcharakter für andere tropische Hochlandregionen
Die vorgeschlagenen nachhaltigen Nutzungsansätze sind mit Kosten verbunden. Über
20 Jahre gerechnet haben die Farmer bei Verzicht auf Brandrodung jedes Jahr geringere Einnahmen: 87 US-Dollar pro Hektar bei der Aufforstung und 100 US-Dollar pro Hektar
bei intensiver Weidenutzung. Nach Ansicht des Forschungsteams bilden Ausgleichszahlungen für die Rekultivierung einen wichtigen Anreiz, um frühere Weideflächen neu zu bepflanzen. Langfristig könnte hier der Handel mit CO2-Zertifikaten eine zusätzliche Einnahmequelle bieten.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen die Studie auch als Modell für die Bewertung von Rekultivierungskonzepten in anderen tropischen Bergwäldern, zum Beispiel in Brasilien oder Afrika. „Aufgegebene landwirtschaftliche Flächen bilden eine riesige, bislang ungenutzte Ressource“, resümiert Prof. Thomas Knoke.
Homepage des Projekts: http://www.tropicalmountainforest.org
Veröffentlichung:
Thomas Knoke, Jörg Bendix, Perdita Pohle, Ute Hamer, Patrick Hildebrandt, Kristin Roos, Andrés Gerique, María L. Sandoval, Lutz Breuer, Alexander Tischer, Brenner Silva, Baltazar Calvas, Nikolay Aguirre, Luz M. Castro, David Windhorst, Michael Weber, Bernd Stimm, Sven Günter, Ximena Palomeque, Julio Mora, Reinhard Mosandl & Erwin Beck,
Afforestation or intense pasturing improve the ecological and economic value of abandoned tropical farmlands;
Nature Communications, DOI: 10.1038/ncomms6612.
An der Studie beteiligten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler folgender Institutionen: Technische Universität München; Universität Bayreuth; Universität Marburg; Universität Erlangen/Nürnberg; Technische Universität Dresden; Justus Liebig Universität Gießen; National University of Loja, Ecuador; Universidad Técnica Particular de Loja, Ecuador; FLACSO, Quito, Ecuador; CATIE, Turrialba, Costa Rica.
Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert (Forschungsbereiche 402 und 816).
Ansprechpartner an der Universität Bayreuth:
Prof. Dr. Erwin Beck
Pflanzenphysiologie
Universität Bayreuth
D-95440 Bayreuth
Tel.: +49 (0)921 55 3037
E-Mail: erwin.beck@uni-bayreuth.de
Anhang
In Bayreuth entwickelt: realistische Konzepte zur Bekämpfung des Adlerfarns
Wenn aufgegebene landwirtschaftliche Flächen in tropischen Bergwaldgebieten in anderen Weltregionen rekultiviert werden sollen, werden nicht zuletzt auch die Bayreuther Forschungsergebnisse zum Adlerfarn hilfreich sein. Dieses weltweit verbreitete, besonders aggressive „Unkraut“ pflanzt sich über ein unterirdisches Spross-System und zugleich über winzige Sporen fort, die millionenfach rasch und über weite Strecken vom Wind verbreitet werden. Wenn sie auf frisch abgebrannten aschereichen Boden treffen, bildet sich in wenigen Tagen ein dichter Rasen von Adlerfarnpflänzchen.
„Indem die Bauern zur Unkrautbekämpfung und Verjüngung der Weidegräser Feuer legen, fördern sie auf die Dauer den Farn mehr als das Gras“, berichtet Prof. Erwin Beck. Mit einer Bayreuther Forschungsgruppe hat er insgesamt 13 verschiedene Methoden der Bekämpfung des Farns erprobt – immer im Hinblick darauf, dass sie von den Landwirten auch umgesetzt werden können. Zwei Verfahren haben sich dabei als besonders wirksam erwiesen: Das kontinuierliche Abschneiden mit der Machete und die Verwendung eines landesüblichen Gemisches von Unkrautvernichtungsmitteln (Combo).
„Mit der Machete dauert es etwa 15 Monate, mit Combo nur 9 Monate, bis man den Farn unter Kontrolle hat. Dann haben wir den Boden von den toten Pflanzenresten gesäubert und nach einer mehrmonatigen Brache Weidegras angepflanzt. Die Weidegräser stammen ursprünglich aus Afrika, weil es im dichten ecuadorianischen Bergwald keine nutzbaren Gräser gibt. Mit sehr zeitaufwändigen Maßnahmen, die durch das steile Gelände erheblich erschwert wurden, konnten wir schließlich schöne, üppige Grasflächen mit einem Adlerfarnanteil von weniger als 5 Prozent erzielen. Auf diesem Prozentsatz kann man ihn halten, wenn man von Zeit zu Zeit düngt und die Farnwedel durch Trampeln zerstört“, so der Bayreuther Pflanzenphysiologe. Er ist zuversichtlich, dass diese Forschungsergebnisse schon bald den Weg in die Praxis finden, denn lokale Behörden und Landwirte haben bereits ihr Interesse bekundet.
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Text: Uni Bayreuth